Handwerkskunst als Festplakat
28. August 2020
Das Festplakat ist ein Klassiker eines Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests (ESAF). Es hat seinen festen Platz in der Schwingszene und hängt als Motivationsfaktor in den Schwingkellern. Unser Festplakat ähnelt dem Riemen einer Treichel oder Glocke. Und genau so ist es auch entstanden. Sattler Paul Eggimann hat es in traditioneller Machart von Hand genäht – entsprechend einer Vorlage von Roland (Rolli) Hess, dem Grafiker des ESAF Pratteln im Baselbiet.
Jedes Festplakat repräsentiert «sein» Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest. Es trägt die gestalterische Handschrift des jeweiligen OK, ist im öffentlichen Raum zu sehen und begleitet die Schwinger durch ihre Trainingsstunden. Es entspringt aber auch dem Zeitgeist und dem grafischen Stil unterschiedlicher Jahrzehnte. Lange Zeit war es fast selbstverständlich, dass das Schwingen in Kombination mit der Schweizer Fahne abzubilden ist, bevor auch andere Sujets zum Tragen kamen.
Das Festplakat des ESAF Pratteln im Baselbiet thematisiert das Riemensticken. Wir setzen den Namen unseres Festes optisch traditionell und einzigartig in Szene. So, wie er im Gabentempel auch auf dem Riemen der einen oder andere Glocke und Treichel zu sehen sein wird. Der Schriftzug ist rundherum verziert mit Eichenblätter und Eicheln – passend zum Logo, in dem sich die mächtigen, alten Eichen der Region mit dem Eichenlaub-Kranz der «Eidgenossen» vereinen. Die beiden Schwinger Erb Roger (Sennenschwinger vom Schwingklub Oberwil) und Brun Samuel (Turnerschwinger vom Schwingclub Binningen) zeigen auf dem Leder einen Kurz mit Kreuzgriff.
Eines der ersten Festplakate ist übrigens 1898 entstanden – für das ESAF auf dem Landhof in Basel. Mehr als ein Jahrhundert später wird ein kleines Original in der Grösse von ca. 40 x 60 Zentimetern zum Ausgangspunkt für die gedruckten, grossformatigen Plakate (Weltformat F4) des ESAF Pratteln im Baselbiet. Es ist von Paul Eggimann, Sattlermeister aus Grünen bei Sumiswald im Emmental gestickt worden. Aufwändig und in liebevoller Handarbeit hat er das Sujet unseres Grafikers Rolli Hess Stich für Stich in das feste Rindsleder eingearbeitet. Paul ist ein jahrzehntelanger Begleiter des Eidgenössischen. Mit seiner traditionellen Handwerkskunst verziert er die Riemen der eindrucksvollen Treicheln und Glocken und näht auch seit Jahren die offiziellen ESAF-Zwilchhosen für die Schwinger.
Rolli Hess, nach der Logogestaltung hast du dich mit dem Festplakat einem weiteren zentralen Ausdrucksmittel des ESAF Pratteln im Baselbiet gewidmet. Mit welchen Überlegungen bist du ans Werk gegangen?
Rolli: Plakatgestaltung ist so etwas wie die Königsdisziplin der visuellen Kommunikation. Eine Betrachterin oder ein Betrachter schenkt einem Plakat durchschnittlich nur drei Sekunden Aufmerksamkeit. In dieser kurzen Zeitspanne muss das Interesse geweckt und eine Botschaft vermittelt werden. Ein Plakat muss optisch wirken – viel Raum für Text bleibt nicht. Kommt hinzu, dass ein ESAF-Festplakat so etwas wie ein Kulturgut oder Kultobjekt ist, das sich in der Öffentlichkeit ebenso gut machen muss wie im Schwingkeller. Es soll sich in die Serie bisheriger, prachtvoller Plakate einreihen und unseren Anlass eindrücklich, fesselnd und unverwechselbar inszenieren.
Welche Vorgaben macht der Eidgenössische Schwingerverband (ESV) zur Plakatgestaltung?
Rolli: Der Verband macht fast keine Vorgaben. Das Fest- und das ESV-Logo müssen integriert werden, während Sponsoren oder Marken auf dem Plakat nicht zu sehen sein dürfen.
Du hattest also freie Hand?
Rolli: So ziemlich – was toll ist, aber die Arbeit nicht wirklich einfacher macht. In den letzten drei Plakaten haben wir Schwinger gesehen, die entweder das Logo auf dem Arm, Edelweisshemd oder auf den Hosen hatten. Das wollte ich nach Rücksprache im OK etwas aufbrechen und das Festlogo auf eine andere Art in Szene setzen.
Was ist die Idee hinter deiner Gestaltung?
Rolli: Im Logo sind wir nah an unserer Region geblieben und haben sie in die Gestaltung integriert. Nun wollte ich geografisch und grafisch noch mehr öffnen. Die Idee war, ein eidgenössisches Plakat zu machen, das Sportler, Sponsoren, Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Schweiz anspricht und als Gäste in Pratteln willkommen heisst. Die Kultur rund um den Anlass sollte in den Fokus gerückt werden. Über die Riemenstickerei – die wir von Glocken und Treicheln kennen – sprechen wir die ganze Schweiz an. Es hat mir auch Spass gemacht, eine Gestaltung zu entwickeln, die letzlich jemand anderes umsetzt.
Damit bist du angesprochen, Paul. Du bist ein vielseitiger Handwerker und Kunsthandwerker. Aber hast du auch schon mal ein Plakat gestickt?
Paul: Nein, noch nie, das war Neuland. Da kann man so alt werden, wie man will, und erlebt doch immer wieder Neues. Schon mit dem Logo hat das OK etwas Ungewohntes ausprobiert. Dass jetzt auch das Festplakat nicht auf Schwinghosen oder ähnliches setzt, ist eine ganz gute Idee.
Wie ist das Original zum Festplakat des ESAF Pratteln im Baselbiet entstanden?
Paul: Ich habe das Plakat in einem Format von 40 x 60 Zentimetern gemacht. Die Umsetzung war für mich eine Arbeit wie fürs Treichelriemensticken sonst auch. Das lief genau gleich.
Das scheint ein aufwändiger Prozess zu sein. Wie viele Stunden Arbeit stecken im Plakat?
Paul: Alles in allem sind das ungefähr 25 Stunden. Eine Vorlage für das Plakat habe ich zwar bekommen. Aber das musste ich dann erst noch so zeichnen, entwerfen und einmitten, wie ich’s fürs Sticken brauche.
Was passiert nun mit deinem Original?
Paul: Das weisst ich nicht. Und es ist wohl auch nicht an mir, dazu etwas zu sagen.
Rolli: Und an mir auch noch nicht (lacht). Wir haben eine Idee, aber die muss erst noch reifen.
Und die Plakate selber: Kann man sie kaufen?
Rolli: Auch dazu sind die Würfel noch nicht gefallen. Das wäre auch ein Novum in der ESAF-Geschichte. Aktuell haben wir erst einmal die Teilverbände damit beliefert. Sie reichen die Plakate an die Schwingklubs weiter.
Merci, Paul und Rolli, für das Gespräch.