«Einfach cool» – das meint der Nachwuchs zum Schwingen als Hobby
17. Mai 2022Der Nachwuchs der "Bösen"
Die Saison ist voll in Gang: Die regionalen Schwingfeste und die Schnupperstunden des ESAF-OK für die Schulen laufen, unser schwingerisches Barfi-Wochenende (Barfüsserplatz, Basel) steht unmittelbar bevor. Viele Gelegenheiten für Mädchen und Buben, um mit dem Schwingen in Kontakt zu kommen. Wir berichten von einem kantonalen Nachwuchstraining.
In der weitläufigen Schwinghalle in Arlesheim (BL) trifft sich alle paar Wochen der Nachwuchs aus den Baselbieter Schwingklubs zu einem gemeinsamen Training, manchmal mit Verstärkung aus Basel-Stadt. Im Vordergrund stehen Technik und Regelkunde, aber auch das freie Schwingen gegen unbekannte Gegnerinnen und Gegner.
Der Nachwuchs trifft auf die Botschafter
Übungsleiter Stefan von Rotz (Leiter Jungschwinger des Bezirksschwingklubs Sissach und technischer Leiter Jungschwinger im Kantonalverband) legt Wert darauf, immer mal wieder Aktivschwinger nach Arlesheim einzuladen. Sie zeigen vor, geben Tipps und gehen auf alles ein, was die Jungen von ihnen wissen wollen. Ende April waren Lukas Brunner und Andrj Gerber mit in der Halle, beide in den grünen Polo-Shirts des ESAF Pratteln im Baselbiet und mit prominentem Aufdruck «Botschafter-Team». Sie vertreten das OK mit ihrem Expertenwissen rund ums Schwingen.
Lukas Brunner steht mit Jahrgang 2006 selber an der Schwelle zwischen Jung- und Aktivschwinger. Bei ihm dominieren momentan Themen wie Schulabschluss und Lehrvertrag, weshalb er die aktuelle Schwingsaison eher als Zwischenjahr ohne grosse sportliche Ziele sieht. Aber trotzdem mit einem riesigen Höhepunkt. «Es ist für mich eine Ehre, dass ich im OK des ESAF Pratteln im Baselbiet dabei sein kann. Bis jetzt habe ich das ESAF immer im Fernsehen gesehen – es wird wohl etwas ganz anderes sein, wenn man selber in der Arena ist.» Er wird als Zuschauer und Fan vor Ort sein, aber auch als Aktiver, der alles beobachtet, was ihm auf dem Weg zu einer zukünftigen Teilnahme an einem ESAF weiterhelfen könnte. «Schwingen ist auch ein Teamsport», meint Lukas als Hinweis auch an die Jüngeren. «Wenn man als Team am Morgen zu einem Schwingfest reist, mit dem Mannschaftsbus, das ist toll.»
Andrj Geber hat ESAF-Luft geschnuppert, als er 2019 in Zug als Ersatzschwinger für den Nordwestschweizerischen Schwingerverband in die Arena einlaufen durfte, aber noch nicht zum Einsatz kam. Aktuell arbeitet er auf seinen Traum hin, in Pratteln aktiv sein zu können. Die Frühform scheint zu passen. Die entscheidenden Wettkämpfe folgen aber noch, denn erst Anfang August wird die Selektion bekannt sein. Auf dem Weg dahin stellt er sich gerne zur Verfügung, um seine jungen Nachfolgerinnen und Nachfolger zu unterstützen. «Ich habe 2008, also mit acht oder neun Jahren, mit dem Schwingen angefangen. Wer Freude daran hat, soll den Sport unbedingt machen. Mit der Freude kommt der Erfolg. Über das Schwingen entstehen gute Kollegschaften, auch aus anderen Regionen der Nordwestschweiz. Das ist etwas Schönes, Cooles.»
Erste Schwünge, erste Erlebnisse
Während im Hintergrund das Aufwärmen läuft und Filmer Beni Forter die ersten Szenen für einen Videoclip dreht, unterhalten wir uns mit Peter Hersberger. Der ehemalige Kranzschwinger ist seit gut zwei Jahren Trainer Jungschwinger im Schwingklub Liestal (BL).
Peter, in welchem Alter steigt man am besten ins Schwingen ein?
Mit sechs Jahren kann man beginnen. An den Schwingfesten des Eidgenössischen Schwingerverbands (ESV) ist die Teilnahme ab acht Jahren möglich. In der Zwergli-Kategorie der Frauen-Schwingfeste (EFSV Eidgenössischer Frauenschwingverband) dürfen aber auch die sechs- und siebenjährigen Buben mitmachen. Idealerweise erfolgt der Einstieg zwischen sechs und zwölf Jahren. Es gibt allerdings auch Schwinger, die erst im Aktivalter begonnen haben.
Wie sieht das Training der ganz Jungen aus?
Wir versuchen, ihnen ziemlich rasch zwei, drei ganz einfache Schwünge beizubringen – ein Bärendruck, ein Übersprung. Nicht zu viel aufs Mal. Diese Schwünge können schnell angewendet werden, auch vor Publikum, ohne viel darüber nachdenken zu müssen. Das bringt erste Erfolgserlebnisse, denn bei den Kleinsten sind die Kräftverhältnisse ziemlich ausgeglichen. Da gewinnt mal dieser, mal jener. Wenn die einfachen Schwünge gut laufen, dann bauen wir weitere ins Training ein. Schön langsam, «step by step».
Kämpfen im Training eigentlich Mädchen und Buben separat oder wird das durchmischt?
Bei uns in der Region ist das Mädchen- und Frauenschwingen noch nicht so weit verbreitet. Wir haben vereinzelt Teilnehmerinnen – da ist es klar, dass die Mädchen mit den Buben trainieren und gegen sie antreten. Wer Freude hat am Schwingen, soll kommen. Wir nehmen gerne mehr Mädchen auf.
Mit welcher Motivation kommen die Jungen zu euch?
Das ist extrem unterschiedlich. Eltern kommen zum Beispiel mit einem Buben, der gerne rangelt und kämpft. Beim Schwingen kann er Dampf ablassen und seine Energie freisetzen. Andere verfolgen ein Schwingfest im Fernsehen, worauf der Nachwuchs meint: Lässig, kenne ich nicht, will ich machen. Die meisten werden durch schwingende Alterskollegen animiert, bei uns reinzuschauen. Vor kurzem ist ein Junge ins Training gekommen, der noch nicht lange in der Schweiz lebt. Er hat viele Sportarten ausprobiert und bei uns Feuer gefangen.
Ermöglicht das Schwingen auch Integration?
Auf jeden Fall, selbstverständlich können wir auch im Schwingen Integration leben und vorleben. Die Akzeptanz für Schwinger unterschiedlicher Herkunft ist gewachsen. Ich persönlich finde das lässig, im Schwingkeller lernt man ein Stück Schweizer Kultur aus nächster Nähe kennen.
Vorbilder und Favoriten
In der Arlesheimer Schwinghalle geht es mittlerweile «zur Sache». Andrj Gerber demonstriert mit Lukas Brunner seine Version eines Übersprungs, die anschliessend von über 20 Nachwuchsschwingern im Alter von 7 bis 15 Jahren nachgemacht wird. Alles vor der Linse der Kamera.
Mittendrin der achtjährige Jari von Rotz, der die Kamera zwar wahrnimmt, sich aber mitnichten stören lässt. «Scho no cool», meint er dazu, «es gefällt mir, dass wir wieder mal frei schwingen können.» Um zu ergänzen: «Mir macht Schwingen Spass. Mein Götti und mein Papa haben vorher geschwungen und dann hat mein Bruder angefangen. Schwingen ist für mich ein tolles Hobby, seit ich laufen kann. Ich werde wegen den Trainings immer besser.» Angesprochen auf allfällige Vorbilder, mein Jari verschmitzt: «Mein grosser Bruder. Der ist dreizehnjährig. Er kann schon alle Schwünge der Abzeichen.» Gemeint sind damit die vier Stufenprüfungen, an denen verschiedene Schwünge gezeigt und technisch bewertet werden. Von den ganz Grossen seien der Giger Samuel und der Stucki Christian seine Vorbilder, meint Jari, zwei völlig unterschiedliche Schwingertypen. Da sie immer wieder andere Schwünge einsetzen und alles probieren würden, mache es sehr viel Spass beim Zuschauen. Am liebsten wäre es ihm denn auch, wenn der Giger Samuel am ESAF Pratteln im Baselbiet Schwingerkönig würde.
«Wenn du fertig bist mit dem Training, weisst du ganz sicher, dass du müde bist. Es ist einfach ein cooler Sport», erzählt Marissa Studer. Die vielseitige Zwölfjährige ist auch Rettungsschwimmerin und spielt Geige. Und schnell auf den Beinen ist sie, wie wir im Training beobachten können. An einem ESAF wird sie selber zwar nie schwingen können, aber Königin könnte sie trotzdem werden. Die Frauen zeichnen jeweils ihre Saisonbeste mit dem Titel aus. Ein Ziel auch für Marissa? «Ich habe das zwar noch nicht vor, aber das wäre schon toll. Oder einen Sieg holen.» Der Stucki Christian hat es auch ihr als Vorbild angetan, weil er sehr gut schwingt und nie aufgibt. «Ich möchte selber auch nie aufgeben», meint Marissa zum Abschluss, weshalb sie sich über eine Titelverteidigung des Schwingerkönigs von 2019 auch sehr freuen würde.
Mehr Infos für den Schwingernachwuchs in Wort und Bild
Mit dem letzten Satz ins Mikrofon waren auch alle Aufnahmen für den Nachwuchs-Videoclip im Kasten. Er wird demnächst veröffentlicht. Von den Stufenprüfungen existiert bereits ein Beitrag, wie auch das Video unseres Botschafterteams mit Lukas Brunner und Andrj Gerber als Akteure.